Forschende des SLF untersuchen, wie Klimawandel, Mikroklima und Gletscherschwund zusammenhängen. Auf Basis dieser Daten wollen sie die Folgen für Pflanzen, Tiere und Menschen in der Region prognostizieren.
Ein später Augustabend am Hintereisferner, einem Gletscher in Tirol: Kleine Lichtpunkte bewegen sich auf dem Eis. Sie stammen von den Stirnlampen einiger SLF-Forschenden, die eine Nachtwanderung der besonderen Art machen. Sie besuchen ihre Messstationen, die sie vorübergehend auf dem Gletscher installiert haben, um auch in der Nacht Daten zu sammeln.
Die Wissenschafterinnen und Wissenschafter des SLF erforschen hier das Mikroklima auf Gletschern. Hauptsächlich untersuchen sie, wie der Gletscherwind dazu beiträgt, den Gletscher selbst zu schützen, und wie die Grosswetterlage dieses Mikroklima stören kann. Rebecca Mott, Schneehydrologin am SLF, erklärt: «Wir möchten verstehen, welche Faktoren die zeitliche und räumliche Dynamik der Gletscherwinde beeinflussen und wie diese Winde die Gletscherschmelze beeinflussen. Dieses Thema ist bisher wenig erforscht.» Dabei spielen auch Temperatur und Luftfeuchtigkeit eine wichtige Rolle, ebenso wie die sich ständig verändernde Oberfläche des Gletschers.
«Wir können die Gletscher nicht retten» ¶
Um diese komplexen Zusammenhänge zu untersuchen, haben Forschende etwa 15 meteorologische Stationen unterschiedlicher Größe auf dem Hintereisferner installiert, die Temperatur- und Windfelder sowie damit verbundene, turbulente Austauschprozesse messen. Während einer intensiven Messperiode haben sie zudem alle drei Stunden atmosphärische Profile mithilfe von Sonden und Drohnen erstellt und das Temperaturfeld nahe der Gletscheroberfläche mit Infrarotkameras in hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung aufgezeichnet.
Mott und ihre Kollegen hoffen, auf Basis dieser Daten die Gletscherschmelze besser zu verstehen. «Wir können die Gletscher nicht retten, aber wir können mit den Erkenntnissen über das Mikroklima der Gletscher besser vorhersagen, wann sie verschwinden», erläutert sie. Das ist wichtig, denn dort, wo heute Eismassen Richtung Tal drängen, wird sich in einigen Jahren oder Jahrzehnten ein Ökosystem ausbreiten. Den Menschen in der Region fehlt dann ein Wasserspeicher, was sich auf zahlreiche Aspekte des täglichen Lebens auswirkt, von der Stromproduktion über die Landwirtschaft bis hin zum Trinkwasser.
Eine Blechschachtel für zwölf Personen ¶
Es war bereits die zweite Messkampagne von SLF-Forschenden auf den Hintereisferner, kurz Hefex2, eine Kooperation von acht wissenschaftlichen Instituten. Im Vorfeld hatten sie sorgfältig geplant, welche Partner welche Sensoren an den insgesamt fünfzehn Messstationen anbringen.
Die gesamte Kampagne erstreckte sich über einen Zeitraum von drei bis vier Wochen. Rebecca Mott selbst übernachtete vor Ort in der Forschungsstation nahe des Hintereisferners, die kaum mehr als eine Blechschachtel für zwölf Personen ist. Ihre Kollegen Michael Haugeneder und Dylan Reynolds hatten ihre Zelte in der Nähe aufgeschlagen. Einige Forschende übernachteten sogar unter freiem Himmel oder direkt auf dem Gletscher in der Nähe einer der insgesamt fünfzehn Stationen, um auch nachts kontinuierlich zu messen.
Temperaturen im Hochsommer: nur fünf Grad ¶
Der Aufwand war enorm. Mindestens einmal täglich schritten die Wissenschafterinnen und Wissenschafter den gesamten Gletscher ab, um nach ihren Geräten zu sehen. Dies war besonders wichtig, da ausgerechnet in diesen Wochen eine Hitzewelle über die Alpen zog und die Gletscher schneller schmolzen als üblich. «Es kam vor, dass eine Messstation an einem Tag noch tadellos funktionierte, aber schon am nächsten Tag schief stand oder dass ein neuer Bach direkt durch den Aufbau der Messstation floss», erklärt Mott. Trotz der Hitzewelle hatten sich die Forschenden in viele Schichten Jacken und Pullover eingehüllt - und dennoch oft gefroren. Denn der Gletscherwind schützt zwar den Gletscher vor der Hitze, ist aber kalt. Selbst am Mittag erreichten die Temperaturen im Hochsommer teilweise nur fünf Grad.
Fünf Stunden Gehzeit ¶
Und dann zog auch noch ein Unwetter auf. Glücklicherweise hatten die meisten Forscher wenige Tage zuvor den Gletscher mit grossen Teilen ihrer Ausrüstung verlassen. Nur einige wenige Forscher waren vor Ort geblieben, um die Stationen bis zum Ende der Messkampagne zu betreuen.
Dann kehrte auch Haugeneder zurück auf den Gletscher, um die Geräte abzubauen und sicher ins Tal zu bringen – ein Weg von circa fünf Stunden, über Gletscher, Gletschervorfeld und einen schmalen Steig. Diesmal allerdings bei Tageslicht.
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